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Zu nah am Wasser gebaut? Brauchen wir eine Klimaschutzmanager*in?

Die schrecklichen Bilder der Hochwasserkatastrophe vor Augen, die verzweifelten Worte der betroffenen Menschen im Ohr, machte ich mich am Montag, den 19.07.2021 auf den Weg zur Sitzung des Verwaltungsausschusses (VA) der Gemeinde Rosdorf. Auf der Tagesordnung stand das Wohnbauprojekt „Luhbach Auen“. Ich war sicher, der Aufstellungsbeschluss zur entsprechenden Änderung des Babauungsplans würde zurückgestellt werden, wir würden angesichts der oben genannten verheerenden Ereignisse nochmals gut und in Ruhe über die Risiken des geplanten Großprojekts direkt neben dem Luhbach nachdenken.

Es kam anders.

Das Problem bei solchen Debatten und Beschlussfassungen im VA: Sie finden hinter geschlossenen Türen statt. Vieles, was hier gesagt wird unterliegt der Geheimhaltung. Die Öffentlichkeit erfährt nicht, wer welche Standpunkte vertreten hat, wer wie abgestimmt hat. Dies alles ist juristisch gesehen korrekt. Gesellschaftspolitisch halte ich die Abschottung bei derart weitreichenden Entscheidungsfindungen für vollkommen falsch. Es fördert geradezu die vorhandene Politikverdrossenheit, wenn die Bevölkerung so vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Es wäre ja nicht verboten, solche Themen öffentlich zu verhandeln und durch den Gemeinderat als höchstes kommunales Gremium diskutieren und beschließen zu lassen. Doch dazu müsste der verwaltungspolitische Wille des derzeit amtierenden Gemeindebürgermeisters vorhanden sein. Dies ist offenbar nicht der Fall.

An dieser Stelle angelangt, höre ich von Herrn Steinberg immer wieder das Argument, der Fachausschuss habe doch vorher öffentlich beraten. Nur, dies ändert nichts an der Tatsache, dass die entscheidende Debatte und Beschlussfassung nichtöffentlich erfolgt.

Wie dem auch sei, öffentlich bekannt geben darf ich, dass der Aufstellungsbeschluss mehrheitlich im VA am 19.07.21 verabschiedet wurde. D.h., das Großprojekt mit über 100 Wohneinheiten wird nunmehr angeschoben. Den vollständigen Beschlusstext in seiner aktuellen Version nebst Begründung können Sie hier unter „Aufstellungsbeschluss Luhbach Auen“ nachlesen.

Weitere Dokumente zum Projekt:

Bereits vor der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 hatten wir als Wählergemeinschaft GuT Zweifel an der vorgelegten Bauplanung entlang des Luhbachs angemeldet. Für uns war und ist diese zu eng, zu umfangreich und hinsichtlich der einzelnen Wohnungsgrößen zu klein angelegt.

Die ökologischen Rahmenbedingungen sind in meinen Augen nicht ausreichend definiert. Verkehrspolitische Bedenken, deutlich höheres Verkehrsaufkommen, insbesondere im Umfeld des Feuerwehrhauses, konnten meines Erachtens nicht ausgeräumt werden.

Nun kommt noch das Bewusstsein einer Gefährdung durch Hochwasser hinzu. Zu viel zusätzlich versiegelte Fläche, zu nah schutzlos am Wasser gebaut. Wie war das noch in den aktuellen Katastrophengebieten: Kleine Bäche schwollen zu reißenden Flüssen an.

Nun mal eine gute Nachricht: Auf der im Anschluss an den VA stattfindenden öffentlichen Gemeinderatssitzung – nur zwei Personen waren gekommen, die Presse glänzte durch Abwesenheit – wurde mehrheitlich beschlossen, „die Förderung einer Personalstelle für das Klimaschutzmanagement (KSM) zu beantragen.“ Durch dieses Klimaschutzmanagement soll sodann „ein Klimaschutzkonzept für die gesamte Gemeinde Rosdorf“ erarbeitet werden. Dies alles ganz oder fast zum Nulltarif für die Gemeinde Rosdorf (ca. 75 – 100% Förderung sind angekündigt). In der Begründung der Verwaltung zum oben genannten Antrag war zu lesen, dass es auch um die „Ausarbeitung von kommunalen Leitlinien, z.B. in der Bauleitplanung“ gehen solle. Das wäre mal was, Bauprojekte unter Berücksichtigung aktueller ökologischer Erfordernisse planen. GuT!

Was mich erstaunte, in der Debatte um die Schaffung einer nahezu kostenfreien Personalstelle für den Klimaschutz in unserer Gemeinde wurden durchaus deutlich Bedenken geäußert: Bürgermeister Steinberg hätte einen solchen Posten lieber interkommunal angesiedelt gesehen, andere hielten so etwas auf kommunaler Ebene sogar für komplett überflüssig. Und dann gab es noch die Befürchtung, kein qualifiziertes Personal für die Aufgabe finden zu können. Und ansonsten und überhaupt, vielleicht bekommt Rosdorf die Mittel ja gar nicht bewilligt.

Ich selbst habe mich in der Debatte eindeutig für die Schaffung einer Stelle für eine Klimaschutzbeauftragte bzw. einen Klimaschutzbeauftragten eingesetzt. Vereinfacht ausgedrückt: Klimaschutz beginnt für mich vor Ort und muss auch dort vorangetrieben werden.

Um die Relevanz einer solchen Stelle, eines solchen Konzepts zu untermauern, hatte ich auf der Gemeinderatssitzung beispielhaft vier Punkte benannt:

  1. Es geht schon jetzt um die Folgen des Klimawandels. Auch das muss auf kommunaler Ebene konzeptionell angegangen werden. Die immer wieder aus haushaltspolitischen Gründen verschobene Investition in ein Hochwasserschutzkonzept für die Gemeinde Rosdorf muss nunmehr finanzpolitisch eingeplant und getätigt werden.
  2. Die in jeder Hinsicht klimafreundlichen Auswirkungen der seitens der Grün AG (früher Baum AG, Arbeitsgruppe des Ortsrates Rosdorf) eingebrachter Lösungsvorschläge für die Dachgestaltung beim Bau des neuen Kindergartens sind zu beziffern und soweit bezahlbar umzusetzen.
  3. Bis vor kurzem hatte sich Bürgermeister Steinberg für die Ausweisung eines weiteren Baugebiets südlich des Mengershäuser Wegs in Richtung Wartberg stark gemacht („Abrundung des Ortsrands“). Eine Umsetzung hätte zur Vernichtung alter Obstbaumbestände geführt. Dort ansässige Bienenvölker hätten ihr Zuhause verloren. Solche Ideen verbieten sich hoffentlich für die Zukunft. Im konkreten Fall scheiterte das Anliegen von Herrn Steinberg vermutlich lediglich an den aus historischen Gründen anstehenden Ausgrabungen und den damit verbundenen Kosten.
  4. Der anfangs genannte Beschluss zur Bauplanung in den Luhbach Auen: Klimaschutzbeauftragte und Klimaschutzkonzept würden hier wahrscheinlich Einspruch erheben. In Beiträgen zu diesem Vorhalt war dann u.a. von „Panikmache“ und Ähnlichem die Rede. Ein Kollege meinte, Hochwasserkatastrophen wie im Westen und Süden Deutschlands dieser Tage zu verzeichnen, wären bei uns aufgrund einer ganz anderen Topografie nicht möglich. Ich maße mir hier eine fachliche Beurteilung der Lage für unsere Gemeinde nicht an, würde sie aber gerne von unabhängigen Fachleuten einholen. Allerdings denke ich, dass selbst die Möglichkeit eines potentiell geringeren katastrophalen Geschehens für Rosdorf Grund genug zum Nachdenken und Handeln sein muss.

Vier Beispiele, die zeigen, wie wichtig ein Klimaschutzkonzept für die Gemeinde Rosdorf wäre. Mit dem oben genannten Beschluss des Gemeinderats vom 19.07.21 ist hoffentlich ein erster Schritt gemacht.

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